Verantwortungsträger/innen in Bund und Ländern sind gefordert, gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Demographie und Volkswirtschaft sowie aus der Praxis der Pflege das „big picture“ zur Pflege von morgen auszugestalten. Ein volkswirtschaftlich effizientes und am Wohl der Betroffenen orientiertes Pflegesystem muss die Gesamtzusammenhänge sowie die Realitäten der Pflegesituation in Österreich – 84 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zuhause betreut, 16 Prozent im Pflegeheim – berücksichtigen.
Welche Pflege ein Mensch benötigt, ist eine höchst individuelle und situationsabhängige Frage. Eine effiziente Weiterentwicklung des Pflegesystems muss daher auf den folgenden Grundsätzen aufbauen:
Insbesondere im Hinblick auf die häusliche Pflege und dem Potential mobiler Dienste liegt ein wichtiger Schritt in der Anerkennung und Stärkung der positiven Ressourcen von Betroffenen und Angehörigen. Welche Unterstützung brauchen die Betroffenen tatsächlich? Ein optimales Zusammenspiel zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden bzw. Betreuenden kann nur auf Basis einer individuellen, wertschätzenden Beurteilung gelingen.
Nach dem Vorbild anderer Länder (z.B. Dänemark) sollte das Angebot eines jährlichen kostenlosen präventiven Hausbesuchs bzw. einer kostenlosen Pflegeberatung ab dem 75. Lebensjahr eingeführt werden, um möglichst individuell und situationsbezogen das richtige Pflegeangebot im Bedarfsfall zu finden.
Eine möglichst breite Palette an Pflegeangeboten stellt sicher, dass Betroffene und ihre Angehörigen die jeweils für sie passende und richtige Unterstützung bekommen. Je differenzierter und bedarfsgerechter das Pflegesystem gestaltet ist, umso effektiver lässt sich auch eine Versorgung unter volkswirtschaftlich Kriterien sicherstellen: Ist das Pflegesystem zu „holzschnittartig“ beschaffen, „kippen“ Betroffene, ohne dies selbst zu wollen, mangels Alternative in das nächsthöhere und damit vermutlich versorgungsintensivere Setting. Menschen, die mit der passenden Unterstützung (Hauskrankenpflege, Besuchsdienst, Essen auf Rädern etc.) etwa gut in ihren eigenen vier Wänden weiterleben könnten, landen dann vielleicht im Pflegeheim – der teuersten Pflegevariante
Eine nachhaltige Aufstockung der Budgets und ein differenzierter Ausbau des Pflegesystems ist unerlässlich. Insbesondere die mobile Pflege und Betreuung zuhause muss gestärkt werden, sie bildet eine der wichtigsten Säulen in einem effizienten, am Wohl der Menschen orientierten Pflegesystem.
Dafür sind eine qualitative und quantitative Aufstellung des ambulanten Bereichs und eine bestmögliche Koordination in der Versorgungskette notwendig. Auch hier kann eine individuelle Pflegeberatung einen wichtigen Beitrag leisten.
Weiters gilt es, die Qualitäts- und Effizienzpotenziale an der Schnittstelle zwischen Gesundheits- und Pflegesystem zu heben.
Die Leistungsangebote im Bereich der Pflege sowie der finanzielle Aufwand für die zu Pflegenden und ihre Angehörigen ist nach wie vor von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Und das trotz bundesweit einheitlicher Steuerpflicht.
Nimmt man etwa die in Österreich mit Abstand meistgenutzte Form der Pflege (abgesehen von der Pflege durch Angehörige), die mobilen Dienste her, fallen zum Teil gravierende Unterschiede zwischen einzelnen Regionen auf. In einem vom Hilfswerk berechneten Fallbeispiel müssen im günstigsten Fall in einem Bundesland für die benötigten Pflegeleistungen rund 256 Euro an Eigenbeträgen geleistet werden, in einem anderen 414 Euro (+61,5 Prozent).
Für die Arbeitsstunde einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekraft beläuft sich der Kostenanteil, für den die pflegende Person selbst aufkommen muss, auf € 20,40 in Kärnten. In Salzburg € 21,90, im Burgenland € 25,90, in der Steiermark € 32,43, in Niederösterreich € 32,92. Dazu kommen in einigen Bundesländern Zuschläge für Wochenend- bzw. Feiertagsdienste (zum Teil 50 Prozent, zum Teil 100 Prozent). Auch die Eigenbeiträge für Arbeitsstunden von Heimhilfen bzw. Pflegeassistenzkräften variieren stark.
Weiters bestehen Unterschiede in der Ausgestaltung der Leistungspakete in der mobilen Pflege. So müssen Kundinnen und Kunden für Heilbehelfe oder Nahrungsergänzungsmittel in einzelnen Bundesländern extra in die Tasche greifen, während diese in anderen kostenfrei sind. Manche Länder gewähren Bürgerinnen und Bürgern eine kostenlose Pflegeberatung, andere sehen dies nicht vor.
Besonders augenfällig ist auch die variierende Inanspruchnahme von Pflegedienstleistungen. Da die
Pflegebedürftigkeit und der Alterungsverlauf innerhalb Österreichs mehr oder weniger ähnlich sind, weisen die abweichenden Nutzungszahlen jedenfalls auch auf Differenzen bei der Verfügbarkeit von Pflege- und Betreuungsangeboten hin. Je nach Bundesland nehmen zwischen 28 und 48,2 Prozent der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher über 80 Jahre einen mobilen Pflegedienst in Anspruch, der Nutzungsgrad stationärer Einrichtung liegt in dieser Altersgruppe zwischen 14,2 und 24,2 Prozent.
Im Sinne einer Steuerwahrheit für alle Österreicher/innen muss für mehr Vergleichbarkeit und Transparenz in punkto Versorgungsstandards, Leistungen und Eigenbeiträge gesorgt werden, letztere sind zudem nach sozialen Kriterien auszurichten.
Das Pflegegeld muss aus Gründen der Berechenbarkeit und Fairness den Betroffenen gegenüber regelmäßig valorisiert werden. Seit seiner Einführung im Jahr 1993 wurden die Tarife erst dreimal angehoben, das letzte Mal zu Beginn des Jahres 2016. Die Anhebungen konnten den realen Wertverlust nicht im Ansatz ausgleichen, dieser beträgt Expertenmeinungen zufolge seit 1993 zwischen 25 (WIFO, Österreich 2025, Juni 2017) und 35 Prozent (Österreichische Zeitschrift für Pflegerecht, 2018).
Der Zuschlag für Menschen mit Demenz oder schweren psychischen Beeinträchtigungen muss erhöht werden. Die Praxis zeigt, dass die derzeit angesetzten 25 Stunden bei weitem nicht ausreichen. Realistisch wären 40 bis 50 Stunden.
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